Alles auf Anfang

Veröffentlicht am 16.03.2012 in Landespolitik

WB vom 16.03.2012
Von Bettina Grönewald und Yuriko Wahl-Immel

Stillstand in NRW: Zahlungen liegen auf Eis, Gesetzesvorhaben gestoppt, Ausschüsse ruhen

Düsseldorf (dpa).
Die Sorge vor Stillstand in NRW geht um nach dem Aus für die rot-grüne Regierung. Viele Reformen liegen auf Eis. Alle Gesetze müssen nach der Wahl im Mai und einer neuen Regierungsbildung wieder frisch eingebracht werden.
Zu allererst hat das bevölkerungsreichste Bundesland kein verabschiedetes Haushaltsgesetz für 2012 - und es wird auch auf lange Zeit keines erhalten. »Bis wir wieder einen Haushalt bekommen werden, dauert es sicher bis in den Herbst«, prognostiziert die Sprecherin des Finanzministeriums, Ingrid Herden.
Alles auf Anfang, heißt es jetzt im politischen Leben Nordrhein-Westfalens. Alle geplanten Reformen sind zunächst ausgebremst, müssen warten. Gesetzesvorhaben sind gestoppt, Untersuchungsausschüsse können nicht weiterarbeiten. Das Parlament leert sich: Sitzungen und Veranstaltungen des Parlaments gibt es nicht mehr. Besucher bekommen nicht viel mehr als das Gebäude zu sehen.
Bis die landespolitische Arbeit reaktiviert werden kann, werden Monate vergehen. Kindergärten müssen ebenso wie Hochschulen auf die versprochenen Verbesserungen warten. Das gleiche gilt für den Nichtraucher- und den Klimaschutz, Ladenschlusszeiten und die umstrittene Neuregelung der Prüfungspflichten für private Abwasserrohre.
Sollte Rot-Grün entgegen den bisherigen Wahltrends nicht weiterregieren können, droht den Bürgern innerhalb von nur zwei Jahren eine neue Rolle rückwärts. Die von Rot-Grün abgeschafften Gebühren für das Studium und das dritte Kindergartenjahr würden von der CDU gerne wieder eingeführt.
Alle schwebenden Gesetzesentwürfe müssten in der neuen Legislaturperiode neu eingebracht werden. Auch die Untersuchungsausschüsse um Korruptionsverdacht beim landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb und zur Informationspanne der Landesregierung im Zusammenhang mit Jülicher Atomkugeln müssten neu aufgelegt werden.

Zurzeit gilt eine vorläufige Haushaltsführung. »Gesetzliche Verpflichtungen wie die Bezahlung des Personals laufen natürlich weiter«, erklärt Herden. Was noch 2011 bewilligt wurde, kann ebenfalls fortlaufen. Auf geplante Rekordzuweisungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz müssen die darbenden Kommunen warten.
Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bedauert den Stillstand für das Nichtraucherschutzgesetz. Rot-Grün will das nach der Wahl aber auf jeden Fall wieder auf den Tisch bringen. Andere Aufgaben würden schon jetzt »mit Nachdruck weiter bearbeitet«, versichert sie. Dazu zählten Krankenhausplanung und Gesundheitsversorgung und die Weiterentwicklung eines demografiefesten Pflegesystems.
Die Schulpolitik profitiert von der Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen und der CDU. »Der Schulkonsens überdauert die Legislaturperiode«, unterstreicht CDU-Landeschef Norbert Röttgen. Die Sekundarschulen sind ungefährdet. Auch die Vorbereitungen für den islamischen Religionsunterricht liefen »ganz normal und geordnet«, versichert eine Ministeriumssprecherin. Ein im Landesrecht verankerter Anspruch auf gemeinsames Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern muss hingegen warten.
Für viele Parlamentarier und ihre Mitarbeiter stellt sich nun plötzlich die Frage nach ihrer beruflichen Zukunft. Dies gilt gleichermaßen für die Minister und deren Teams. Keiner weiß sicher, wie es weitergeht. Nur der bisherige Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg hat sich schon entschieden, dass er noch eine Amtszeit vollenden würde. Das Vorschlagsrecht für das höchste Amt hat die stärkste Fraktion. Uhlenberg setzt also auf einen Wahlsieg der CDU.