Ein neues evangelisches Schulzentrum im Angebot

Veröffentlicht am 30.03.2012 in Schule und Bildung

NW vom 30.03.2012
VON KARSTEN SCHULZ

Kirchenleitung unterbreitet Vorschlag für Schulstandort Espelkamp / Politik kann sich noch nicht entscheiden

Espelkamp.
Landeskirchenrat und Dezernent im Landeskirchenamt Bielefeld, Wolfram von Moritz, ließ im Schulausschuss die Katze aus dem Sack: Nach einem Gespräch mit der Kirchenleitung unterbreitete er den Schulpolitikern und der Schulverwaltung den Vorschlag Söderblom-Gymnasium und eine noch zu gründende Sekundarschule unter dem Dach eines Evangelischen Schulzentrums Espelkamp gemeinsam als Träger zu übernehmen.

„Allerdings“, schränkte von Moritz gleich ein, „kann die Kirche nicht mehr Geld als bisher in die Hand nehmen – es wird aber auch nicht weniger“. Das würde sofort die anderen kirchlichen Schulstandorte gefährden.

Er habe nicht damit gerechnet, dass die Kirchenleitung angesichts der nicht sehr erfreulichen Haushaltsentwicklung wieder so groß in Espelkamp einsteigen wolle. Er zeigte sich sichtlich erfreut über diesen Sinneswandel.

Von Moritz bezeichnete dieses neue weiterführende Schulangebot als „zukunftsfähiges Modell“ und „passend für Espelkamp“. Es soll „modellhaft“ aufgebaut werden und die Erfahrungen, die die Landeskirche bei Aufbau und Betrieb der ersten Sekundarschule in Breckerfeld gemacht habe, mit berücksichtigen. Von Moritz: „Es wird darauf ankommen, dass Sekundarschule und Gymnasium nicht bloß nebeneinander stehen, sondern zum Wohl der Kinder miteinander arbeiten.“

Nach sechs Jahren soll das Espelkamper Modell gründlich unter die Lupe genommen und danach mit der Stadt gemeinsam entschieden werden, wie es weitergehen soll. Es sei eine „reizvolle Aufgabe“ ein „renoviertes evangelisches Gymnasium“ mit einer neu zu gründenden Sekundarschule gemeinsam entwickeln zu können.

Dieser Aufgabe würde sich die Landeskirche „gerne stellen“. Es komme darauf an, jetzt ein gemeinsames pädagogisches Profil und ein Personal-Management für die Lehrerkollegien aufzubauen, damit jeder Schüler nach seinen Begabungen in den Bereichen Technik, Wirtschaft, Kultur und Sprache gefördert werden könne. Es gelte jetzt nicht noch mehr Zeit zu verlieren und gemeinsam in einer Projektgruppe mit Vertretern der Schulformen, der Stadt und unter der Leitung von Schulplaner Dr. Detlef Garbe diese Ziele zu formulieren und ein tragfähiges Konzept zu erstellen.

Sehr überrascht nahmen die Espelkamper Schulpolitiker den vorliegenden Beschluss der Kirchenleitung auf. „Kirche ist doch immer wieder für eine Überraschung gut“, sagte Grünensprecher Andreas Sültrup. So hätten die Eltern in Espelkamp keine Wahl mehr zwischen unterschiedlichen Schulträgern. Dies entspreche nicht dem bunten und weltoffenen Image der Stadt. Sültrup: „Damit fahren wir nicht gut. Wir sollten mindestens eine Schule in städtischer Trägerschaft behalten.“

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Ratsherr Reinhard Bösch. Es gebe dann ab 2018/2019 keine kommunale Schule im Sekundarstufen 1-Bereich mehr. Und damit auch keine Alternative für die Eltern, die ihre Kinder nicht in einer christlichen Schule anmelden wollten. Die Äußerung „modellhaft“ erschien Bösch „zu schwammig“. Sowohl er wie Fraktions- und Ausschussvorsitzender Reinhard Hülsmann weigerten sich kategorisch im Schulausschuss bereits ein Votum auf den Weg zu bringen.

Unabhängigen-Vertreter Bernd Selig bezeichnete den Vorschlag der Kirche zwar als „charmantes Modell“ stellte aber gleichzeitig fest, dass so „Kompetenz der Stadt verlorengeht“. CDU-Sprecher Detlef Beckschewe stellte fest, dass auf alle Fälle die Projektgruppe mit der Entwicklung des Konzeptes auf den Weg gebracht werden soll. Von Trägerschafts-Übernahme sei doch „überhaupt noch nicht die Rede gewesen“. Darüber sei sich seine Fraktion auch noch nicht im Klaren. Deshalb sei nur zu diesem Thema eine Klausurtagung Ende April angesetzt worden.

Bürgermeister Heinrich Vieker appellierte an alle Beteiligten zunächst die grundsätzliche Frage der inhaltlichen, räumlichen und pädagogischen Entwicklung einer Sekundarschule auf den Weg zu bringen. Erst später sei die Trägerschafts-Diskussion sinnvoll. Vieker: „Wir müssen doch erst einmal wissen, wohin der Weg geht. Und dann können wir das den Eltern mitteilen.“

Schwierigkeiten sieht auch FDP-Ratsfrau Gisela Vorwerg. „Wo bleiben denn unsere Hauptschüler bei diesem Modell? Die wird es auch in Zukunft geben. Ich habe Sorgen, dass sie nicht mehr richtig betreut werden.“

Dagegen brach Annelie Grothe (CDU) eine Lanze für ein Evangelisches Schulzentrum. Es gebe hier viel mehr Synergie-Effekte, wenn es in einer Trägerschaft bliebe. Die Diskussionen dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Karl-Heinz Brandhorst, Konrektor der Waldschule, appellierte an die Verwaltung und die Rathausmehrheit „nicht ohne Not die Trägerschaft aus der Hand zu geben“. Er stellte fest, dass eine staatliche Schule insgesamt gesehen eine „höhere Akzeptanz bei allen Eltern hat als eine christliche“. Er erinnert daran, dass die landeskirchlichen Schulen mit Schulverträgen arbeiten. „Und ich kenne eine große Gruppe von Bürgern aus Espelkamp, die dann ihre Kinder lieber zu uns schicken. Wo sollen die dann hin, wenn es uns nicht mehr gibt?“