Nicht die schnelle, bequeme Entscheidung suchen

Veröffentlicht am 12.04.2012 in Schule und Bildung

Espelkamp. Zum Thema Schulentwicklung und einem Kommentar dazu („Nicht mehr lange warten“, NW vom 31. März) nimmt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Stellung:

„ ,Ist es wirklich so schlimm, wenn es in Zukunft kein weiterführendes Schulangebot mit kommunalem Träger mehr gibt?’ so die Frage von Redakteur Karsten Schulz in seinem Kommentar. Die Antwort hat er gleich mitgegeben: ,Die Leuchtkraft der neuen evangelischen Schulen blendet alle Gegenargumente aus – aber leider auch die kritische Auseinandersetzung mit dieser Sachlage.’

Schon vor gut zwölf Jahren – vor Beginn des Baus der neuen Realschule – hat man in Espelkamp gemerkt, wie knallhart die Evangelische Kirche ihre Interessen durchsetzt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie damals eine Abordnung von Politikern zusammen mit dem damaligen Stadtdirektor Dr. Horst Eller nach Detmold gefahren ist, um über die finanziellen Fragen bezüglich der Realschule zu reden beziehungsweise mitgeteilt bekamen, welchen Beitrag wir zu zahlen hätten.

Und diesmal: Ein gutes Jahr lang haben wir auf die Entscheidung der Kirche gewartet. Andeutungen wurden gemacht, die Evangelische Kirche sei finanziell nicht mehr so glänzend aufgestellt, man wolle kürzer treten, mehr den christlichen Gedanken fördern, also eher nicht Gymnasium, sondern die Position ,Bildungsgerechtigkeit und Schule’ fördern.
Wir haben darauf gedrängt, dass die Kirche ihre Entscheidung fällt, wir haben diskutiert, spekuliert – und lagen am Ende doch völlig daneben: Die Evangelische Kirche will neben dem Gymnasium auch die neue Sekundarschule aufbauen, so teilte es Dr. von Moritz den verdutzten Schulausschussmitgliedern in der letzten Sitzung mit und war dann doch ein bisschen überrascht, dass nicht alle in lauten Jubel ausbrachen.

Die Kirche übernimmt die Leitung des gesamten Sekundarbereiches, will aber finanziell auf keinen Fall aufstocken, eher, so kann man vermuten, die Mittel kürzen. Das kann nur heißen, die Stadt hat nichts zu sagen, darf aber schon jetzt fast die Hälfte des Unterhalts zahlen. Und in Zukunft wahrscheinlich noch mehr.

Nicht wir hier in Espelkamp entscheiden über unsere Schulen, sondern das wird an irgendeinem fernen Ort gemacht. Das sollte uns schon nachdenklich stimmen.

Und nun zum zweiten Punkt: So hart und vielleicht auch ungerecht das angesichts der sehr guten Arbeit der beiden Schulen klingt: Espelkamp ist keine evangelische Gemeinde, sondern eine Stadt mit gut 25.000 Einwohnern, weltoffen – wie ein Eingangstor in der Breslauer Straße andeutet – und multikulturell mit vielen verschiedenen Religionen. Das muss sich auch in unserem Schulangebot zeigen.

Wir tun uns auch keinen Gefallen – und damit komme ich zum dritten Punkt – wenn wir unseren Eltern sagen: ,Wem die kirchlichen Schulen hier nicht passen, der suche sich bitte eine Schule in der Nachbarstadt’. Dass jeder das Recht dazu hat, ist unbestritten, aber dass eine der großen Städte im Altkreis so eine Empfehlung geben muss, ist der Attraktivität einer Stadt – auch für Neubürger – nicht gerade förderlich.

,Nicht mehr lange warten’, so heißt die Überschrift des Kommentars. Wir haben lange warten müssen, jetzt sollten wir nicht der Versuchung erliegen, die schnelle bequeme Entscheidung zu suchen. Wenn wir jetzt den Sekundarbereich völlig in die Hände der Evangelischen Kirche abgeben, muss uns klar sein, dass ein wichtiges Stück Vielfalt und Einflussnahme verloren geht.“

Andreas Sültrup
Espelkamp-Vehlage