Schulfrieden in NRW

Veröffentlicht am 20.10.2011 in Schule und Bildung

NW vom 20.10.2011
von PETER JANSEN

Rot-grün-schwarzes Bündnis ändert die Verfassung

So viel Einmütigkeit war selten im NRW-Landtag. Ein noch nie dagewesenes Bündnis aus rot-grüner Koalition und oppositioneller CDU billigte mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit die Änderung der Landesverfassung und das neue Schulgesetz mit der Einführung der Sekundarschule als neuer Schulform. Nur FDP und Linke mochten nicht die Hand zum großen Schulkonsens geben. Die heutige abschließende Lesung ist gleichwohl nur noch Formsache.

Die Schulexperten von CDU, SPD und Grünen, die sich in den letzten Jahren erbitterte Redeschlachten geliefert und keinen Vorwurf gegen den politischen Gegner ausgelassen hatten, begegneten sich mit ausgesuchter Höflichkeit, Freundlichkeit und Dankbarkeit. Von einem „guten Tag“ für die Schüler in NRW sprach CDU-Schulexperte Klaus Kaiser. Einen „pädagogischen Aufbruch“ feierte die grüne Schulexpertin Sigrid Beer aus Paderborn. Mit der neuen Sekundarschule habe man „den Nerv der Zeit getroffen“, pries der SPD-Schulexperte Sören Link die Reform, die binnen drei Monaten zwischen den drei Parteien verabredet worden war. Die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann freute sich auf einen andauernden Schulfrieden in NRW.

Im Kern steht als neue Schulform die Sekundarschule, die neben den bestehenden Schulformen angeboten werden soll und in der Kinder in den Klassen fünf bis zehn unterrichtet werden. In den ersten beiden Klassen bleiben die Schüler zusammen, ab der Klasse sieben kann der Schulträger entscheiden, ob er einen Realschul- und Gymnasialzweig anbietet oder integrierten Unterricht. Hauptschulen können dort weiterbetrieben werden, wo Nachfrage besteht, allerdings wechseln immer weniger Kinder von der Grund- zur Hauptschule. Aus diesem Grund wird auch die bisherige Garantie für die Hauptschule in der Landesverfassung gestrichen. Stattdessen heißt es jetzt in Artikel 10, das Land ermögliche ein „gegliedertes Schulsystem, integrierte Schulformen sowie weitere andere Schulformen“.

Die FDP begründete ihre Verweigerung mit der Befürchtung, bei der neuen Sekundarschule handele es sich um eine Art „Ersatzgymnasium“. Es werde nicht in der Verfassung verankert, „dass das Gymnasium als eigenständige Bildungssäule“ erhalten bleibe, kritisierte die FDP-Abgeordnete Ingrid Pieper-von Heiden. Die Linken begründeten ihr Nein damit, dass das gegliederte Schulsystem „auf ewig und drei Tage“ festgeschrieben werde. Ihre Schulexpertin Gunhild Böth sprach von einem „faulen Kompromiss“.

In einem ebenfalls von CDU, SPD und Grünen gemeinsam eingebrachten Entschließungsantrag wird die Regierung beauftragt, bis Jahresende unter dem Motto „Kurze Beine – kurze Wege“ ein Konzept für eine wohnortnahe Schulversorgung bei den Grundschulen zu erarbeiten. Hintergrund sind auch hier die rückläufigen Schülerzahlen, die vor allem auf dem Land dazu führen, dass ohne Änderung der Vorgaben viele Schulen geschlossen werden müssten. Künftig sollen Klassen mit 15 Schülern erlaubt sein, Schulen mit weniger als 92 Schülern als Teilstandorte geführt werden können und jahrgangsübergreifender Unterricht erteilt werden.