„Wir suchen einen großen Konsens“

Veröffentlicht am 23.03.2013 in Stadtentwicklung

NW vom 21.03.2013 / VON KARSTEN SCHULZ

Wer zu spät kam, musste seinen Stuhl selbst mitbringen. Der große Saal des Gestringer Hofes platzte Dienstagabend aus allen Nähten als die SPD zur Versammlung in Sachen Wirtschaftswege-Konzept einlud. Für sozialdemokratische Verhältnisse eher ungewöhnlich war die Herkunft des Hauptreferenten: Assessor Holger Topp, Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden-Lübbecke stellte Finanzierungs-Alternativen zur weiteren Unterhaltung und Pflege der Wirtschaftswege vor.

Am Schluss erhielt er von den Genossen langanhaltenden Beifall. Obwohl der Vortrag relativ lang war, geriet er doch zu einem informationsreichen und spannenden Ereignis, so dass die vielen Besucher bis zuletzt an seinenLippen hingen. „Gute Wege braucht das Land“, so hatte der beredte Geschäftsführer der heimischen Landwirte seinen Vortrag betitelt. Er betonte immer wieder, dass es sich hier um eine „Mammutaufgabe handelt, die nur von allem gemeinsam gemeistert werden kann“. Bereits seit dem Jahre 2005 beschäftige sich der landwirtschaftliche Kreisverband mit der Thematik. Nur „zähfließend“ entwickelten sich „hier die ersten Weichenstellungen“. Dennoch hat sich Holger Topp inzwischen – aufgrund der vielen Erfahrungen und Informationen, die er inzwischen gesammelt hat – zu einem Kenner der schwierigen Materie entwickelt.

 

Zunächst erläuterte er, um welche Wege es sich handelt. In der Regel seien es Anliegerstraßen, die öffentlich gewidmet seien. Sie befänden sich im Eigentum des Straßenbaulastträgers, also de r Stadt. Wenn es hier um Ausbauten und Erneuerungen gehe, würden in der Regel Ausbaubeiträge nach Paragraph 8 des Kommunalen Abgaben-Gesetzes (KAG) fällig. Unterhaltungspflichtig sei die Kommune, die die Kosten hierfür unter anderem über die Grundsteuer A von jedem Eigentümer erheben könne. Bei einer Erneuerung, die über das KAG abgewickelt werde, sei eine Beteiligung der Anlieger in der Regel zwischen 60 und 80 Prozent üblich. Bisher gebe es in NRW bei 231 Kommunen und Gemeinden nur sieben, die eine eigene Wegesatzung besäßen, so Holger Topp. allerdings könnten inzwischen weitere Städte hinzugekommen sein. In der Regel seien diese „zu einseitig, unflexibel, ungerecht und verhinderten einen erweiterten Blick auf alternative Wegekonzepte. Es müsse die Frage gestellt werden, wie sich die Wege unterscheiden, außerdem müsse die Heterogenität der Grundstücke, sowie die Hauptnutzungsart und die Nutzer miteingebunden werden. Oftmals würden hier Äpfel mit Birnen verglichen, hinzu komme, dass es keine gefestigte Rechtspraxis gebe.

Topp informierte über eine Kommune in Niedersachsen, die schon einige Erfahrungen mit dem Wirtschaftswege-Verband gesammelt habe. Es handelt sich hier um Schiffdorf bei Bremerhaven,. Dort habe es bereits 2006 den Grundsatzbeschluss gegeben, imShulterschluss mit dem Landkreis, dem Landvolk und der Politik. Dort hatte Topp nachgefragt und war war zu dem Ergebnis gekommen: „Es handelt sich hier um ein gerechtes Modell. Es funktioniert nach dem Solidaritätsprinzig. 26 Prozent der Stimmen aller Grundeigentümer waren dafür notwendig.“

Allerdings gelte hier die Zwangsmitgliedschaft. Es wurde ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegründet. Als Aufgabenstellung bekam dieser Verband die Unterhaltung der Wirtschaftswege und auch deren Erhalt mit auf den Weg. Für den einzelnen Eigentümer bedeutet ein Verband deutlich geringere Kosten, als wenn er nach KAG direkt abrechnen müsse, so Topp.

Der Geschäftsführer nannte hier noch weitere Finanzierungsalternativen. Beispielsweise die Anhebung der Grundsteuer A oder auch freiwillige Erschließungsgemeinschaften. Wichtig sei, dass der Unterhalt gesichert sein muss, die Kommunen dürften nicht aus der Pflicht entlassen w erden. Topp hatte in Schiffdorf nach vier Jahren noch einmal angerufen und dort nachgefragt, wie sie mit dem Modell zufrieden sind. Die Antwort sei eindeutig gewesen: „Wir werden keinesfalls zur KAG zurückkehren“, hieß es nur.

„Wir kennen allerdings auch nicht den Superweg. Die Verhältnisse zwischen den Städten und Gemeinden sind bei uns sehr unterschiedlich, ebenso die Bedingungen. Wir müssen vorsichtig herangehen“, sagte Topp. Auch das Land und vor allem der Städte-und Gemeindebund sollen mit eingebunden werden.

Reinhard Bösch, amtierender Fraktionschef der SPD, stellte fest, dass seine Partei einen Wirtschaftswege-Verband als die „sicherste Variante zur Bewältigung der Problematik“ ansieht. Man müsse den „Druck von unten erhöhen, damit sich etwas tut“. Die SPD wünsche sich weitere Diskussions- und Vorstellungsrunden in jedem Ortsteil. „Wir müssen mit Augenmaß vorgehen“, so Bösch.