"Europa ist eine Lachnummer"

Veröffentlicht am 13.07.2013 in Veranstaltungen

NW vom 13.07.2013 von Nico Buchholz

Bundestagswahl 2013: Egon Bahr wählt beim Gesprächsabend mit Achim Post deutliche Töne

Lübbecke. "Ich habe nicht mit den Füßen gescharrt, um endlich Lübbecke kennenzulernen", sagte Egon Bahr zwinkernd zu Beginn des Gesprächs gestern Abend in der Lübbecker Stadthalle. Dass er doch kam, habe die Stadt Achim Post zu verdanken. "Ich will ihm helfen." Denn die Politik von schwarz-gelb, so wurde später deutlich, birgt in seinen Augen große Gefahren. 

Mit viel Beifall begrüßte das Publikum, das zu einem Großteil aus SPD-Genossen bestand, den 91-jährigen Egon Bahr auf der Bühne. Neben Achim Post, Bundestagskandidat der SPD im Kreis Minden-Lübbecke und Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas, nahm er dort auf einem Sessel Platz. 

Zunächst ging es um die Historie, die bewegenden Erlebnisse Bahrs an der Seite von Ex-Bundeskanzler Willy Brandt. "Sie waren beim Kniefall in Warschau dabei", sagte Post. "Ich war dabei und auch nicht", entgegnete Bahr und erzählte die Geschichte, wie er hinter einer Wand aus Fotografen nichts zu sehen bekam. "Ich tippte einen an und fragte, was los ist. ,Er kniet', war seine Antwort." Später habe Bahr Brandt auf diese Geste angesprochen. "Er sagte mir, er hatte das Gefühl, dass es nicht reicht, einen Kranz niederzulegen."

Überhaupt waren die Ausführungen Bahrs geprägt von Erinnerungen an seinen Weggefährten und Freund Willy Brandt. Auch die Verhandlungen mit dem sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew waren mit launigen Anekdoten gespickt. "Breschnew und Brandt liebten Wein, Weib und Gesang. Und wenn der Arzt gesagt hätte, dass die beiden kürzer treten müssen, dann hätten beide aufgehört zu singen."

Doch Bahr beließ es nicht bei Geschichten aus der Vergangenheit. Er knüpfte Verbindungen in die Gegenwart, als er beschrieb, wie in seinen Augen die Politik von Angela Merkel zu einer gefährlichen Situation in Südeuropa führen könne. "Ich bin neugierig darauf, wann die Menschen merken, dass diese Politik in Südeuropa dazu führt, dass die Menschen Angst haben, dass sie Not haben und dass sie letztlich auch unsere Autos nicht mehr kaufen können." Denn dann sei auch der deutsche Export betroffen und die deutsche Wirtschaft würde ebenfalls leiden. Das sei unvermeidbar. 

Und auch ohne diese wirtschaftliche Dimension habe man eine Verantwortung für die anderen Staaten. "Das stärkste Land in Europa hat die Verpflichtung zur Solidarität."

An der europäischen Union selbst ließ Egon Bahr später wenig Gutes. "Aus meiner Sicht ist Europa einer Lachnummer", sagte er im Bezug darauf, dass es die EU immer noch nicht schaffen würde, mit einer Stimme zu sprechen. "Der Grund, warum es noch kein großes Gelächter gibt, ist, weil unsere Nachbarn höflich sind. Die lachen nämlich heimlich und hinter verschlossenen Türen."