Kaum Chancen für große Koalition

Veröffentlicht am 03.06.2010 in Landespolitik

SPD: „Keine gemeinsamen Linien entdeckt“

NW vom 03.06.2010
von PETER JANSEN

Düsseldorf.
Die Mienen der beiden Hauptakteure sprachen Bände: ernst und nachdenklich das Gesicht der SPD-Vorsitzenden Hannelore Kraft, verlegenes Lächeln beim CDU-Chef und Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers.
Über 14 Stunden hatten sie an drei Tagen sondiert, ob die Gemeinsamkeiten ihrer Parteien ausreichen, eine große Koalition in NRW zu bilden. Das Ergebnis ist, zumindest aus Sicht der SPD, negativ. Der politische Neuanfang, den die SPD in NRW will, ist nach ihrer Einschätzung mit der CDU in ihrer derzeitigen Verfassung nicht zu machen.

Ohne Schärfe, ohne Vorwürfe an die Adresse des politischen Gegners und Gesprächspartners sagte Kraft am Abend, was ihr an der Vorstellung der CDU gefehlt hat: „Sie hat in wesentlichen Bereichen Klarstellungen vermissen lassen. Das bedauern wir außerordentlich.“ Es habe bei einigen Themen „Brücken“ zwischen den Vorstellungen von CDU und SPD gegeben, aber bei der für die SPD zentralen Frage des längeren gemeinsamen Lernens aller Kinder habe sie „keine gemeinsame Linie“ erkennen können.

Auch sei die CDU nicht bereit gewesen, über einen „personellen Neuanfang“ zu reden, der nach Ansicht der SPD zum politischen Neuanfang gehört. Dahinter steckt der Widerstand weiter Teile der SPD gegen die Bildung einer Regierung unter einem Ministerpräsidenten Rüttgers.
Rüttgers selbst sagte zu diesem Thema nur, es gehöre zur politischen Kultur in der Bundesrepublik, dass die stärkste Partei den Regierungschef stellt und jede Partei über ihr eigenes Personal entscheidet.

Anders als Kraft hält Rüttgers die Bildung einer großen Koalition nach den Erfahrungen und Ergebnissen aus den Sondierungsgesprächen für möglich und wünschenswert. „Ich habe den Eindruck, wir haben alle Voraussetzungen, dass Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können.“Bei gutem Willen beider Beteiligten lasse sich ein „attraktives Zukunftsprogramm“ aufstellen.
Auch bei der umstrittenen Frage des künftigen Schulsystems habe es „eine ganze Reihe von Berührungen und Anknüpfungspunkten“ gegeben. Er wolle einen gesellschaftlich getragenen Schulkonsens, der über eine Legislaturperiode hinausreiche. Wichtig sei der CDU das Thema Vielfalt der Schullandschaft in NRW.
Weniger konfliktreich verlief die Aussprache über das Thema faire Arbeit, zu dem auch die Wiedereinführung eines Tariftreuegesetzes sowie der Kampf gegen Mindestlöhne gehörten.

Kraft will nächste Woche gemeinsam mit den Grünen ausloten, ob mit der FDP die Bildung einer Ampelkoalition in NRW machbar ist. Die Freien Demokraten hatten am Wochenanfang nach wochenlangem Schwanken überraschend ihre Bereitschaft zu solchen Sondierungsgesprächen erklärt. Erst nach Abschluss dieser Runde will die SPD unter Einbeziehung ihrer Mitglieder entscheiden, welche Koalition sie bevorzugt oder ob sie sich sogar auf das Risiko einer Minderheitsregierung einlässt.

Nach den bisherigen Festlegungen führender Sozialdemokraten ist eine Koalition mit der CDU nicht möglich. Sie hatten das längere gemeinsame Lernen aller Kinder bis zur sechsten Klasse unter Einbeziehung der Gymnasien zur „Gretchenfrage“ erklärt.