Vier mal gewählt bis die Schule steht

Veröffentlicht am 29.06.2012 in Schule und Bildung

Ratsbürgerentscheid von der CDU abgeblockt / Große Mehrheit für Kirche als Träger und für Konzept


VON KARSTEN SCHULZ


Espelkamp. Die Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen im Stadtrat machten es sich in Sachen Entscheidung Trägerschaft Sekundarschule wahrlich nicht einfach. Dazu musste drei Mal abgestimmt werden, zwei Mal in (beantragter) geheimer Wahl. Und ein Abgeordneter (Paul-Gerhard Seidel von den Unabhängigen) gab zuvor in einer persönlichen Erklärung bekannt, warum er an diesen Wahlen nicht teilnehmen will. Es wurden alle Register demokratischer Möglichkeiten gezogen. Und trotz fast dreistündiger Debatte blieben die Redebeiträge im Großen und Ganzen sachlich.

Wenn man es ganz genau nehmen will, wurde letztendlich sogar vier Mal abgestimmt. Vor der eigentlichen Entscheidung zur Installierung einer Sekundarschule in kirchlicher Trägerschaft auf dem Gelände der heutigen Birger-Forell-Realschule musste der Rat noch über den von den Unabhängigen beantragten Ratsbürgerentscheid (die NW berichtete bereits) votieren.


Wiederum in geheimer Abstimmung stimmte hier die „Opposition“ aus SPD, Unabhängigen, Grünen und FDP geschlossen gegen die komplette Fraktion der allein regierenden CDU.


Auch Bürgermeister Heinrich Vieker hielt nichts von einer solchen Befragung. Sinnvoll wäre doch in einem solchen Fall nur eine Elternbefragung. Infrage kommen würden hier „allerhöchstens“ 2.000 Betroffene. Es würde allerdings bei Installierung der Sekundarschule sowieso eine Elternbefragung geben. Möglicherweise käme bei einem Ratsbürgerentscheid, bei dem alle Eltern oder die gesamte Bevölkerung befragt werden „etwas völlig Gegenteiliges heraus als bei der eigentlichen Befragung der betroffenen Eltern“.


SPD-Fraktionschef Reinhard Hülsmann appellierte hier vor allem an die CDU-Kollegen: „Eine solche Entscheidung der Bürger würde unser Votum legitimieren.


Die Gründung einer neuen Schule für Espelkamp habe etwas mit der Infrastruktur der gesamten Stadt zu tun, das müsse unbedingt auf eine ganz breite Basis gestellt werden. Das wurde von Andreas Sültrup (Grüne) voll unterstützt. „Es ist doch eine gute Tradition, bei uns alle mitzunehmen und einen möglichst breiten Konsens zu erzielen. Auch in diesem Fall sollten Sie diesen Weg mitgehen.“


Jaroslaw Grackiewicz (CDU) hält es für falsch, wenn „Nichtbetroffene befragt werden“. „Ich bin für eine Elternbefragung“. Gisela Vorwerg (FDP) sieht – gerade auch im Hinblick auf die Elternversammlung am Dienstagabend in der Waldschule – noch „sehr viel Unsicherheit und Ängste bei den Eltern“. Wir entscheiden hier einfach schon zu früh.“


CDU-Fraktionssprecher Wilfried Windhorst erläuterte, warum sich „seine“ Fraktion nicht mit einem Ratsbürgerentscheid anfreunden könne. Dann wären ja alle Bürger abstimmungsberechtigt, das würde außerdem eine „deutliche zeitliche Verzögerung“mit sich bringen. Er befürchtet ebenfalls ein abweichendes Ergebnis zur späteren Elternbefragung. „Was machen wir dann?“Windhorst erinnert an die Bildungskonferenz, wo „schon viel gelaufen“ sei. „Der Rat sei jetzt in der Pflicht und müsse eine Entscheidung treffen.


Jens Bölk (SPD) machte deutlich, dass die Bildungskonferenz „wohl nicht das passende Instrument gewesen ist, um Informationen weiterzugeben“. Zumindest hätte man die Protokolle nach jeder Konferenz online stellen können. „Das ist auch in anderen Städten so gelaufen, wo Dr. Garbe bereits Schulplaner war. Bölk: „Die Eltern gieren nach Informationen“.


Bürgermeister Heinrich Vieker will die Veranstaltung in der Waldschule nicht so hoch hängen: „Es haben sich doch nur vier Eltern zu Wort gemeldet .“ Zu solchen Bürgerbefragungen gingen doch sowieso nur diejenigen, die „gegen etwas sind“.


Das sieht Paul-Gerhard Seidel (Unabhängige) völlig anders. Er habe da wohl ein anderes Demokratieverständnis als der Bürgermeister und die CDU. Eine Mehrheit könne sich irren, auch der Rat.


Bei der Gründung einer neuen Schule handele es sich nicht um ein „Privatvergnügen von Eltern und Eltern. Das ist eine gesellschaftliche Frage und Aufgabe“. Das habe etwas mit dem Image der Stadt zu tun und da müsse der „Souverän entscheiden“.


„Bei einer so wichtigen Frage wie der Trägerschaft einer neuen Schule sind alle Bürger gefragt „Jetzt soll alles plötzlich hopplahopp durch den Rat durchgeknallt werden“. Die Bildungskonferenz habe nicht das erreicht, was sich die SPD versprochen habe. Warum ist es denn so schlimm, wenn wir die schule nicht 2013/14 sondern erst 20124/15 errichten?


Bernd Selig (Unabhängige) stellte zwar fest, dass es Auftrag der Bildungskonferenz gewesen sei, die dort vorherrschende Meinung in die jeweiligen Schulkonferenzen zu tragen. Sie sei so nicht überall verstanden worden, so dass es „keine saubere Informationspolitik gegeben hat“.


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Mit letztendlich doch deutlichen 29 Stimmen stimmte der Rat im folgenden Punkt dafür, dass das vorliegende Konzept einschließlich der kirchlichen Trägerschaft umgesetzt wird. Der Antrag auf Vertagung des gesamten Punktes von Paul-Gerhard Seidel wurde mit den Stimmen der CDU und einiger Stimmen aus der Opposition ebenfalls deutlich abgelehnt.


Er selbst nahm nicht mehr an den Abstimmungen teil und gab zuvor eine persönliche Erklärung ab. „Erst wenn die Eltern vorher informiert werden, kann überhaupt abgestimmt werden“, so sein Credo. Bürgermeister Heinrich Vieker freute sich; „In bewährter Partnerschaft werden wir ein passgenaues Schulsystem für Espelkamp schaffen.“ Und Schuldezernent Oberkirchenrat Dr. Wolfram von Moritz wandte sich zum Schluss an den Rat: „Es stimmt, dass ich für dieses Projekt in Espelkamp brenne . Es ist aber auch eine Riesenverantwortung für uns als Kirche. Ich danke für Ihr Vertrauen.“


Die zuvor vollzogene Debatte wiederholte Vieles, was auch im Schulausschuss gesagt wurde oder auch während der großen Elternveranstaltung in der Waldschule Sie entzündete sich an Fragen wie „Was ist, wenn die Trägerschaft Kirche nicht von den Eltern gewollt ist? Wie sehen die finanziellen Auswirkungen genau aus? Was kommt genau auf die Stadt zu? Welchen Einfluss hat die Stadt auf die neue Schule? Und wie sieht es mit der Einstellung neuer Kollegen oder Kolleginnen der Hauptschule aus, die beispielsweise nicht konfessionell gebunden sind oder dem Islam angehören?


So formulierte es SPD-Vorsitzender Reinhard Hülsmann. Seine Fraktion habe hier unterschiedliche Meinungen, entsprechend offen werde auch abgestimmt. Dem Konzept werde jedoch vorbehaltlos zugestimmt.,


Grünen-Vertreter Andreas Sültrup brachte den Aspekt in die Diskussion, dass es in Espelkamp dann zukünftig kein kommunales weiterführendes Schulangebot mehr gebe. „Wir stehlen uns als Stadt da aus der Verantwortung. Außerdem haben wir euch eine Verantwortung gegenüber den Lehrern.“


Bernd Selig (Unabhängige) kann sich für beide Trägerschaften erwärmen, erteilte Schuldezernent von Moritz jedoch das Kompliment, dass er für die neue Schule in Espelkamp „geradezu brennt“.


Gisela Vorwerg (FDP) appellierte an alle Politiker, der Kirche eine Chance zu geben, dieses „ehrgeizige und verheißungsvolle Modell der Sekundarschule zu betreiben“. „Wir haben doch bisher keine schlechten Erfahrungen mit dem Träger gemacht.“